Mittwoch, 14. März 2007
"Habn wa nich " ... Haben wir nicht (mehr)
Draußen Sauwetter, es taut und man hat die Wahl zwischen „leicht dreckigen“ und „ganz dreckigen“ Schuhen. Schuhe putzen - fast eine Zeitverschwendung. Die elektronische Post bietet auch nur eine Auswahl von Uhrimitationen, Verlängerungen für was auch immer und „Werden Sie gestern reich“.

Heute nur Müll in der Post

Also eine gute Zeit sich um den WEB-Blog zu kümmern.

Einkaufen in Rußland war früher so „spannend“ wie Einkaufen in der DDR, „Habn wa nich ...“, verbunden mit einem sauren Gesichtsausdruck war an der Tagesordnung. Milchprodukte z.B. gab es in zwei Varianten, der von gestern und der noch älteren. Viel hat sich seitdem geändert.

Zwar findet man auch heute noch kleine, vornehmlich in ländlichen Gebieten, Läden, in denen der Abakus an Stelle eines Taschenrechners steht und in denen das Warenangebot nicht allzu umwerfend ist, aber in der Regel kann man heute so ziemlich alles bekommen ... vorausgesetzt man hat das nötige Kleingeld.

So sieht ein russischer Kassenzettel aus ... wer hätte es gedacht

Und wie sind die Preise? Nun, ich kann hier keine generelle Aussage treffen, nachfolgend die Preise während eines Einkaufs hier vor Ort:

Quark mit Früchten (2 Pckg.) = 33,40 Rubel

Jogurt mit Früchten (4-er Packung) = 26,00 Rubel

Bier (2 Dosen) = 40,40 Rubel

Milch im Tetrapack(1 l) = 19,70 Rubel

Nescafé (1 Dose) =109,20 Rubel

Cola ( 1 Flasche / 1 l) = 33,40 Rubel

Kartoffelchips = 42,40 Rubel

Mineralwasser = 10,80 Rubel

Kartoffelchips = 43,40 Rubel

Zeitung = 10,40 Rubel

Wodka (1 Flasche 0,5 l) = 126,60 Rubel

Summa summarum = 495,50 Rubel

Das sind bei einem Eurokurs von 34,45 Rubel / Euro

14,38 Euro.

Klingt nicht viel aber bei einer Entlohnung von 5.000,00 Rubel = rund 145 Euro ist das schon eine ganze Menge. Also ist die Suche nach dem billigsten Angebot Teil des Lebens eines Großteils der Bevölkerung. Man deckt seinen Bedarf auf dem Markt ein, der vielen vermeintlich billiger erscheint, in Wahrheit aber oft die gleichen, wenn nicht oft gar höhere Preise hat als das Geschäft.

Der „Markt“ - nicht der für die Dinge des täglichen Lebens, hatte heute seine besonderen Tücken. Infolge des Tauwetters das seit gestern herrscht, tauten wohl in der letzten Woche auch die Börsenwerte für Fonds. An der Moskauer Börse, wie auch an den westlichen Börsen fielen die Werte für diese Anlageformen und die Nachrichten waren voll von Meldungen über den Verlust. Aber auch hier galt, wie in so manchem anderen Fall der gute alte Satz „Ihr Geld ist nicht weg - es ist nur woanders“. Da ich aber beim Börsenmonopoly nicht mitmische konnte mich dieser Sachverhalt nicht sonderlich erschüttern. Grund für den Kursrutsch war die chinesische Börse. Rußland ist also schon gut in die Weltwirtschaft integriert wie man sieht.

Aber auch auf dem „richtigen“ Markt hat es seine Tücken. Infolge des Tauwetters wären auf dem Markt Gummistiefel der Renner, leider bot sie aber keiner an. Um sich irgendwie bewegen zu können hat man ausgediente Europaletten in die übergroße Pfützen gelegt. Also hangelten sich die Marktbesucher von Palette zu Palette, ein wenig kommt beim Einkauf auf dem Markt ein „Venedig“-Gefühl auf.



Der „richtige“ Markt steht seit längerer Zeit unter der besonderen Aufmerksamkeit der Regierung. Der nach hiesiger Ansicht hohe Anteil ausländischer Verkäufer, vornehmlich aus den Regionen des Kaukasus und angrenzender ehemaliger Sowjetrepubliken, soll schleunigst geändert werden. Die Ausländerbehörde (Migrationaya Sluzhba) macht daher Razzien auf den Märkten um illegale Arbeitskräfte aufzuspüren. Diese Razzien sind - für deutsche Verhältnisse - unerklärlich schwierig. Die Marktbetreiber haben nämlich eigene Sicherheitsdienste und eben diese Sicherheitsdienste, die sich sehr fürsorglich um die „Sicherheit“ der Einkünfte ihrer Herren kümmern, verwehren der Ausländerbehörde den Zutritt auf die Märkte, teilweise unter Anwendung von Gewalt. Selbst gegen die zum Teil eingreifende Militsia gehen die "Sicherheitskräfte" vor, wie man es neulich selbst im Fernsehen miterleben durfte. Auf diese Weise will man den Illegalen, die zu Hungerlöhnen auf den Märkten arbeiten, die Möglichkeit bieten schnell noch zu verschwinden und ganz nebenbei schützt man auch noch die "Marktmafia" die auch an den Illegalen verdient.

Was gab es sonst noch? Richtig, es war „Frauentag“, der in Rußland am 8. März gefeiert wird. Das ist die russische Form des „Muttertages“ aber im Gegensatz zum Muttertag, der eben eine „Mutter“ voraussetzt, werden am 8. März alle Frauen gefeiert, ungeachtet der Frage ob sie Mutter sind oder nicht. Schon am 7. März feiert man am späten Nachmittag in den Betrieben. Und am 8. März ist ein freier Tag. Die Männer beschenken ihre Liebsten und ein Blumenstrauß gehört obligat dazu. Das hat zur Folge, daß die Blumenpreise an den Tagen vor diesem Tag unerklärlich schnell in die Höhe treiben. Der 8. März könnte daher auch „Tag des Blumenhandels“ heißen. Eigentlich scheint der Tag aber schon seit längerem seinen Sinn verloren zu haben, fast so ähnlich wie Weihnachten bei uns. Ähnlich wie der Weihnachtskaufrausch im Westen, oder der Neujahrskaufrausch in Rußland, hat der 8. März seinen Kaufrausch entwickelt. Preisnachlässe werden verkündet. Ob sie tatsächlich existieren weiß meist nur der Unternehmer der diese Nachlässe verkündet. Wahrscheinlich gehören sie aber ebenso in den Bereich der Fabel wie die auch sonst überall verkündeten Preisnachlässe.

Es war mal wieder Frauentag ... Hoch leben die Frauen

Gut, auch diesen Tag haben alle überlebt, insbesondere die Frauen, die sich nun wieder „voll ins Zeug“ legen dürfen. Na dann ... legen wir uns alle wieder ins Zeug. Bis dann

Werner

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