Samstag, 21. April 2007
Der Rote Oktober lebt ... auf unserem Balkon ... und Business ... "po Russki" ... wo die Kosaken tanzen..Zum Abschluß ... Mülltrennung
fromrussia, 23:04h
Der Rote Oktober lebt ... auf unserem Balkon
Früher hatten die Landwirtschaftskolchosen noch so revolutionäre Namen wie „Kolchos 20. Parteitag“ oder „Roter Oktober“ oder ähnlich. Heute gibt es viele der ehemaligen Kolchosen kaum noch und die Reste ehemaliger Landwirtschaftsbetriebe in unmittelbarer Nähe Moskaus werden „abgewickelt“ damit sich der ehemalige Kolchosdirektor und der lokale Ortsälteste als „developer nedvizhimosti“ - Immobilienentwickler - der Erstellung von „Taunchauses“ und „Kotedzhis“ hingeben und so nebenbei einen erheblichen Reibach machen können.
Derweil wird die ehemalige Belegschaft des Kolchos mit dem Hinweis „deneg njet“ - wir haben keine Kohle - abgespeist worauf sich die so Beglückten der Individuallandwirtschaft auf ihren sog. Nebenerwerbswirtschaften hingeben können um Kartoffeln, Zwiebeln oder andere Erzeugnisse anzubauen. Die können sie dann an Aufkäufer für geringe Summen verkaufen und das Aufgekaufte erscheint dann gleichsam wundersam veredelt auf den städtischen Märkten, diesmal aber zu erheblich höheren Preisen.
Nun hat uns das Kolchosfieber gleichermaßen ergriffen und seit einigen Tagen herrscht der „Rote Oktober“ auf unserem Balkon, soll heißen, wir betreiben den Anbau von Tomaten und Gurken - in Nebenerwerbswirtschaft versteht sich - auf unserem Balkon. Ob die Erzeugnisse allerdings auf städtischen Märkten auftauchen werden, halte ich für mehr als fraglich. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche ist einfach zu klein um auch nur eine Gurke entbehren zu können.
Zur Erntezeit werden die Gurken nebst Tomaten wohl ihren Weg einerseits in frische Salate finden, womit dem dem nachdrücklichen Gebot meines Freundes Klaus-Peter „Jeden Tag etwas Grünes, Gelbes oder Rotes“ zu essen genüge getan werden wird und andererseits auch sein Hinweis auf meine mittlerweile vermurkste, weil dickerbäuchige Figur fehlgehen könnte, wenn und soweit das zum Abnehmen führt. Wir werden sehen.
Andererseits könnten Ernteüberschüsse auch in 3-Liter-Gläser wandern, wo die Tomaten gemeinsam mit den Gurken die Bekanntschaft von Essiglake machen könnten um sich gemütlich auf den Winter einzurichten. Wie dem auch sei, ich halte Euch auf dem Laufenden über die kommende ruhmreiche Schlacht an der Erntefront.
Business ... "po Russki"
Das Verhalten russischer sog. „Businessmeni„ löst im Westen manchmal Verwunderung aus. Das Ankarren größerer Mengen von Mädels in alpine Wintersportorte kann dazu führen, daß man sich als russischer Oligarch unversehens im Polizeigewahrsam wiederfindet. Das würde in Rußland zwar nicht passieren. Da würde die eigene Berühmtheit eher dazu führen daß man Erwähnung in der russischen Yellow-Press findet und daß man den “V.I.P.„-Status unzähligen Moskauer Nachtklubs hinterher geworfen bekäme. Im Westen ist das allerdings anders und da hilft es auch nichts daß man Michael Prochorov heißt, einem Norilsk Nikel, der weltgrößte Nickelhersteller, gehört und daß man nur einmal “richtig feiern„ wolle. Da greift immer noch die in einschlägigen russischen Kreisen mit Unverständnis quittierte Gleichheit vor dem Gesetz.
Wie dem auch sei, russisches Business ist, wenn es westliches Parkett betritt und nicht eben GAZPROM ist und sich einen ehemaligen Kanzler als Repräsentanten leisten kann, noch am Üben. Dieses Üben trifft aber leider auch nicht immer auf die Begeisterung westlicher Beobachter.
Das Business über das wir heute hier berichten wollen, hat seine ersten Schritte auf Westparkett bereits hinter sich und sich dabei - zum eigenen Unverständnis - unbeliebt gemacht. Die Rede soll hier sein von der Firma TVR, die in Großbritannien als kleine aber feine Marke für exklusive Sportwagen bekannt ist. Manch einer bekommt ja bei uns zum Abi oder zur Volljährigkeit ein Auto von seinen Eltern geschenkt. Das soll es auch in Rußland geben und die Pkws die dabei manchmal den Besitzer wechseln sind nicht ganz so ärmlich wie die im Westen geliebten Kleinwagen. Wenn ein Vater es aber ganz richtig machen will, dann bekommt der Sohn eben nicht nur ein Auto, sondern eine ganze Autofabrik, wie das Land etwas größer ist, so fallen auch die Geschenke eben manchmal “etwas größer„ aus.
Nikolai Smolenski war der so zu seinem 24. Geburtstag reichlich Bedachte. Vater Alexander Smolenski, der in der Rubelkrise im August 1998 eine Bauchlandung mit der Bank SBS Agro hingelegt hatte bedachte den Sohn mit der Firma TVR, die ihren Sitz in Blackpool hat. Für lausige 15 Millionen Dollar aus papas Börse wechselte die Firma den Eigentümer und Nikolai hatte auch gleich “napoleonische Pläne„ wie man das hier in Rußland nennt.
Hatte die Firma im Jahre 2005 nicht mehr als 300 Fahrzeuge verkaufen können, so sollte die Produktion auf bis zu 5000 Fahrzeuge erhöht werden. Und das neue Modell “Sagaris„ sollte Nobelmarken wie Aston Martin, Ferrari oder Lamborghini Kunden abjagen.
Nun sichert die Herkunft als Kind, das mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wird, nicht unbedingt auch unternehmerische Qualitäten. Hohe Ausgaben für Werbung, Erhöhung des Verkaufspreises für die Fahrzeuge, was zu einem Einbruch des Absatzes führte taten das ihrige. Zum Schluß war nicht einmal Geld vorhanden um die Mitarbeiter zu bezahlen. Da bekamen die Briten den ersten Eindruck von dem was man Rußland landesweit auch heute noch oft trifft. Und zugleich beschloß Nikolai Anfang letzten Jahres die Belegschaft um 50 % zu reduzieren. All das half nichts. Bis zum Herbst 2006 hatte sich der Schuldenberg auf 40 Millionen Pfund Sterling angehäuft unter ihnen nicht gezahlte Gehälter in Höhe von 2 Millionen Pfund Sterling. Ideen sich mit der Produktion nach Italien zu begeben weil dort Arbeitskräfte billiger sind und auch die Steuern nicht so drücken mußte Nikolai aufschieben. Mit einer Pleitefirma kann man sich nicht so mir nichts Dir nichts aus Großbritannien verabschieden.
Teile der Firma wechselten den Besitzer und wurden an eine Firma namens Blackpool Automotive veräußert. Den Markennamen sicherte sich Smolenski Junior und im Januar 2007 bekam die Firma, oder das was von ihr über ist, einen Konkursverwalter. Ein Kassensturz erbrachte nichts Erfreuliches und die Banken als Kreditgeber kamen überein einem eventuellen Erwerber Schulden in Höhe von 20 Millionen Pfund Sterling zu erlassen. Ende Februar wurde die Firma endgültig veräußert für rund 2 Millionen Pfund Sterling wie inoffizielle Quellen behaupten.
Die genaue Summe wurde nicht veröffentlicht. Das Erstauen war groß als bekannt wurde wer der neue (und zugleich alte) Herr war, der allseits bekannte Nikolai Smolenski hatte irgendwo die Kohle aufgetrieben und die Firma erneut gekauft. Auf diese Weise kann der alte und zugleich neue Eigentümer erneut schalten und walten wie er will. Die bankrotte Firma hat er nun fast schuldenfrei bekommen und kann sie auch verkaufen. In der Zwischenzeit will Smolenski Junior “strategische Investoren„ gefunden haben. Weitere Einzelheiten erspare ich mir mal an dieser Stelle. Bleibt nur die Abschlussfrage auf die russische Geschäftsleute immer wieder stoßen wenn sie Geschäfte mit dem Westen machen wollen. “Warum liebt man uns nicht?„ Nun, diese Frage werden wir uns alle mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen, vielleicht weiß ja der eine oder andere eine Antwort darauf.
Wo die Kosaken tanzen
Als ich noch ein kleiner Junge war gab es gemeinsame Fernsehabende mit den Nachbarn am Samstagabend. An solchen Abenden gab es Salzstangen und belegte Brote und gemeinsam schaute man die Sendung mit Hans-Joachim Kuhlenkampf, deren Namen mir gerade entfallen ist und unter dem “Goldenen Schuß„ mit Lou van Burg verstand man damals noch keine Überdosis an Heroin. Den Nachbarn bot man auch schon einmal etwas Exotisches neben den Käsehäppchen auf Plastikspieß an. Meine Oma hatte zu diesem Zweck ab und zu einmal eine Flasche “Kosakenkaffee„ zur Hand, einen braunen süßlichen Likör, den man in kleine Gläser goß, dann fügte man einen Löffel flüssige Schlagsahne hinzu und das ganze begann dann im Glas zu wallen und sah sehr interessant aus. Beworben wurde dieser Wunderlikör mit einem Fernsehspot in dem der Säbeltanz von Khachaturian gespielt wurde.
Damals hatte ich keinen Schimmer daß ich einmal in Rußland landen würde, Khachaturian war mir kein Begriff und daß er eigentlich Armenier und kein Russe ist, habe ich auch nicht gewußt. Aber die Säbel auf dem Flaschenetikett, die Musik ... alles schwer russisch ... jedenfalls wenn man von Rußland keine Ahnung hat.
Und wo tanzen sie nun heute, die Kosaken?
Einiges zur Klarstellung vorab. Erstens sind Kosaken KEINE ethnische Gruppe wie Tataren, Burjaten oder Ewenken um nur einige der nicht-russischen Völkerschaften der russischen Föderation zu nennen.
Kosakengesellschaften als das Sammelbecken ehemals den Gutsherren entflohene Bauern unter der Leitung ihres Ataman (in Rußland) oder Hetman (in der Ukraine) findet man in Rußland am Don, wir erinnern uns an Michael Scholochovs “Stillen Don„, ebenso wie in der Ukraine wo die Saporozher Kosaken in einem Bild mit dem Titel “Die Saporozher Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief„ verewigt worden sind. Das Bild das heute meines Wissens nach in der Moskauer Tretyakov-Galerie hängt, ist eines meiner Lieblingsbilder. Es zeigt eine schon leicht angeheiterte Kosakengruppe die an einem Tisch sitzt und einen Brief an den türkischen Sultan schreibt, der die Kosaken zur Kapitulation aufgefordert hatte. Was die Kosaken dem “sehr geehrten Herrn Sultan„ da antworten kann man auf dem Bild zwar nicht genau erkennen. Allerdings ist den Mienen der Abgebildeten ziemlich eindeutig zu entnehmen was sie von dem Kapitulationsvorschlag halten und welche Gegenvorschläge sie dem Sultan zu übermitteln gedenken. Ich hätte seinerzeit zeitweise gern einmal eine Reproduktion des Bildes in einem unserer Projektbüros mit der Unterschrift “Das Projekt XYZ schreibt einen Brief nach Brüssel„ aufgehängt, aber das ist eine andere Frage.
Wie dem auch sei, wo tanzen die Kosaken denn heute? Ehrlich gesagt eine spannende Frage der wir uns in einer der folgenden Blogs widmen werden. Wer allerdings Rußland heute immer noch auf Tundra, Taiga, Balalaika und tanzenden Kosaken reduziert, der muß sich nicht wundern wenn Russen das in gleichem Maße mit der Reduktion Deutschlands auf Mercedes, BMW, Bayern München und lederhosentragende und starkbiertrinkende Schuhplattler auf dem Oktoberfest beantworten.
Die heutigen “Kosaken„ von denen hier die Rede sein soll, tragen auch weder Säbel zur Schau noch reiten sie auf Pferden zu der sehnsüchtig und mit melancholischem Gesichtsausdruck auf sie wartenden Frau mit dem 1-Meter-Zopf heim an den Don.
Die heutigen Tänzer tragen überweite Jeans die ihnen fast in den Kniekehlen zu hängen scheinen, an den Füßen auch keine Reitstiefel sondern die Erzeugnisse von Adidas, Rebook oder Nike. Den Kopf ziert auch keine Kosakenpelzmütze sondern eine dieser Pudelmützen ohne Pudel. Und die wird sich dann so über die Ohren gezogen wie ich es früher mit meiner heißgehaßten Pudelmütze, die mir meine Oma gestrickt hatte, machen mußte, damit “der Junge sich nicht erkältet„. Und so ausgerüstet mußte ich dann zur Schule ... und sah dabei aus wie der Depp vom Lande.
Heute zieht man sich diese Mützen freiwillig an und sieht damit wie ein amerikanischer Docker, der gerade von einem seiner illegalen Hafenstreiks kommt. Meist ziert die Mütze auch noch eine Firmenaufschrift und so läuft der so “Behütete„ dann auch noch kostenlos Reklame für irgendeine Firma.
Die Zeiten ändern sich eben. Aber verdammt “cool„ sieht es eben aus und als Erkennungsmerkmal einer Gruppe taugt es heute genauso wie seinerzeit der bei uns beliebte amerikanische Parka mit Waschbärfell an der Kapuze, den man aber nur in Verbindung mit dunkelblauen Cordhosen, Nickipullover und weißen Turnschuhen tragen durfte, wenn man nicht dem Stilbruch und der allgemeinen Gruppenächtung anheim fallen wollte.
Heute trafen sich die “Kosaken„ im ehemaligen Pionierpalast von Tver zu einer “Battle„, soll heißen einem Breakdance Wettbewerb, zu dem auch Teilnehmer aus anderen Städten, u.a Moskau und St. Petersburg, angereist waren. Einer der Säle des Pionierpalastes war brechend voll mit den Kiddies und die Musik dröhnte so, daß man sie auf dem Fußweg vor dem Gebäude noch mühelos hören konnte. Unter dem Gejohle des Publikums traten die jweiligen “Kommandas„ gegeneinander an und gute artistische Darbietungen wurden mit dem entsprechenden Applaus gefeiert.
Hip-Hop, Break Dance und Punkertum sind zwar nur Nischen in der russischen Gesellschaft und in den Bereichen mit denen sich Jugendliche befassen, aber es sind die ersten beiden Bereiche die gepaart mit Extremalsportarten wie Kiting, Snowboarding und Skateboarding sich zunehmender Beliebtheit unter Jugendlichen erfreuen. Daß die Anhänger dieser Art des Zeitvertreibs darüber hinaus jegliche Art von Drogen, inklusive Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum, ablehnen, macht sie um so sympathischer in einer Umwelt, in der die Mehrheit es noch immer für außerordentlich “cool„ hält mit der Bierflasche in der Hand durch die Straßen zu gehen.
Dann also “Dawaitje Kosaki, tanzuiete„ Ihr seid der positive Teil der Zukunft dieses Landes.
Mülltrennung
Immer wenn ich nach Deutschland komme muß ich mein in einem 4-semestrigen Grundstudium in Abfallwirtschaft erworbenen Kenntnisse wieder auffrischen. Papier in die grüne Tonne, Plastik in die gelbe Tonne, Glas sortiert nach Farbe in die jeweiligen Container, Restmüll in die graue Tonne, oder war es die blaue? Da ist es doch schön wenn ich im Rahmen der Globalisierung selbst hier in Rußland von den Mülltrennungsregeln der EU profitieren kann. Den nachfolgenden Hinweis fand ich heute in einer Packung für Kopfhörer
Nur welche russische Behörde ist hier zuständig wenn ich den Umkarton eines 5-Eurokopfhörers, oder sollte es der Kopfhörer selber sein, zurückgeben will? Ich denke ich überlasse die Antwort erst einmal der Mülltonne.
Das schlechte Gewissen lege ich mir dann nach Überqueren der russisch-finnischen Grenze demnächst wieder pflichtgemäß zu.
Bis dann also
Eure Abfall-Sau Werner
Früher hatten die Landwirtschaftskolchosen noch so revolutionäre Namen wie „Kolchos 20. Parteitag“ oder „Roter Oktober“ oder ähnlich. Heute gibt es viele der ehemaligen Kolchosen kaum noch und die Reste ehemaliger Landwirtschaftsbetriebe in unmittelbarer Nähe Moskaus werden „abgewickelt“ damit sich der ehemalige Kolchosdirektor und der lokale Ortsälteste als „developer nedvizhimosti“ - Immobilienentwickler - der Erstellung von „Taunchauses“ und „Kotedzhis“ hingeben und so nebenbei einen erheblichen Reibach machen können.
Derweil wird die ehemalige Belegschaft des Kolchos mit dem Hinweis „deneg njet“ - wir haben keine Kohle - abgespeist worauf sich die so Beglückten der Individuallandwirtschaft auf ihren sog. Nebenerwerbswirtschaften hingeben können um Kartoffeln, Zwiebeln oder andere Erzeugnisse anzubauen. Die können sie dann an Aufkäufer für geringe Summen verkaufen und das Aufgekaufte erscheint dann gleichsam wundersam veredelt auf den städtischen Märkten, diesmal aber zu erheblich höheren Preisen.
Nun hat uns das Kolchosfieber gleichermaßen ergriffen und seit einigen Tagen herrscht der „Rote Oktober“ auf unserem Balkon, soll heißen, wir betreiben den Anbau von Tomaten und Gurken - in Nebenerwerbswirtschaft versteht sich - auf unserem Balkon. Ob die Erzeugnisse allerdings auf städtischen Märkten auftauchen werden, halte ich für mehr als fraglich. Die landwirtschaftlich genutzte Fläche ist einfach zu klein um auch nur eine Gurke entbehren zu können.
Zur Erntezeit werden die Gurken nebst Tomaten wohl ihren Weg einerseits in frische Salate finden, womit dem dem nachdrücklichen Gebot meines Freundes Klaus-Peter „Jeden Tag etwas Grünes, Gelbes oder Rotes“ zu essen genüge getan werden wird und andererseits auch sein Hinweis auf meine mittlerweile vermurkste, weil dickerbäuchige Figur fehlgehen könnte, wenn und soweit das zum Abnehmen führt. Wir werden sehen.
Andererseits könnten Ernteüberschüsse auch in 3-Liter-Gläser wandern, wo die Tomaten gemeinsam mit den Gurken die Bekanntschaft von Essiglake machen könnten um sich gemütlich auf den Winter einzurichten. Wie dem auch sei, ich halte Euch auf dem Laufenden über die kommende ruhmreiche Schlacht an der Erntefront.
Business ... "po Russki"
Das Verhalten russischer sog. „Businessmeni„ löst im Westen manchmal Verwunderung aus. Das Ankarren größerer Mengen von Mädels in alpine Wintersportorte kann dazu führen, daß man sich als russischer Oligarch unversehens im Polizeigewahrsam wiederfindet. Das würde in Rußland zwar nicht passieren. Da würde die eigene Berühmtheit eher dazu führen daß man Erwähnung in der russischen Yellow-Press findet und daß man den “V.I.P.„-Status unzähligen Moskauer Nachtklubs hinterher geworfen bekäme. Im Westen ist das allerdings anders und da hilft es auch nichts daß man Michael Prochorov heißt, einem Norilsk Nikel, der weltgrößte Nickelhersteller, gehört und daß man nur einmal “richtig feiern„ wolle. Da greift immer noch die in einschlägigen russischen Kreisen mit Unverständnis quittierte Gleichheit vor dem Gesetz.
Wie dem auch sei, russisches Business ist, wenn es westliches Parkett betritt und nicht eben GAZPROM ist und sich einen ehemaligen Kanzler als Repräsentanten leisten kann, noch am Üben. Dieses Üben trifft aber leider auch nicht immer auf die Begeisterung westlicher Beobachter.
Das Business über das wir heute hier berichten wollen, hat seine ersten Schritte auf Westparkett bereits hinter sich und sich dabei - zum eigenen Unverständnis - unbeliebt gemacht. Die Rede soll hier sein von der Firma TVR, die in Großbritannien als kleine aber feine Marke für exklusive Sportwagen bekannt ist. Manch einer bekommt ja bei uns zum Abi oder zur Volljährigkeit ein Auto von seinen Eltern geschenkt. Das soll es auch in Rußland geben und die Pkws die dabei manchmal den Besitzer wechseln sind nicht ganz so ärmlich wie die im Westen geliebten Kleinwagen. Wenn ein Vater es aber ganz richtig machen will, dann bekommt der Sohn eben nicht nur ein Auto, sondern eine ganze Autofabrik, wie das Land etwas größer ist, so fallen auch die Geschenke eben manchmal “etwas größer„ aus.
Nikolai Smolenski war der so zu seinem 24. Geburtstag reichlich Bedachte. Vater Alexander Smolenski, der in der Rubelkrise im August 1998 eine Bauchlandung mit der Bank SBS Agro hingelegt hatte bedachte den Sohn mit der Firma TVR, die ihren Sitz in Blackpool hat. Für lausige 15 Millionen Dollar aus papas Börse wechselte die Firma den Eigentümer und Nikolai hatte auch gleich “napoleonische Pläne„ wie man das hier in Rußland nennt.
Hatte die Firma im Jahre 2005 nicht mehr als 300 Fahrzeuge verkaufen können, so sollte die Produktion auf bis zu 5000 Fahrzeuge erhöht werden. Und das neue Modell “Sagaris„ sollte Nobelmarken wie Aston Martin, Ferrari oder Lamborghini Kunden abjagen.
Nun sichert die Herkunft als Kind, das mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wird, nicht unbedingt auch unternehmerische Qualitäten. Hohe Ausgaben für Werbung, Erhöhung des Verkaufspreises für die Fahrzeuge, was zu einem Einbruch des Absatzes führte taten das ihrige. Zum Schluß war nicht einmal Geld vorhanden um die Mitarbeiter zu bezahlen. Da bekamen die Briten den ersten Eindruck von dem was man Rußland landesweit auch heute noch oft trifft. Und zugleich beschloß Nikolai Anfang letzten Jahres die Belegschaft um 50 % zu reduzieren. All das half nichts. Bis zum Herbst 2006 hatte sich der Schuldenberg auf 40 Millionen Pfund Sterling angehäuft unter ihnen nicht gezahlte Gehälter in Höhe von 2 Millionen Pfund Sterling. Ideen sich mit der Produktion nach Italien zu begeben weil dort Arbeitskräfte billiger sind und auch die Steuern nicht so drücken mußte Nikolai aufschieben. Mit einer Pleitefirma kann man sich nicht so mir nichts Dir nichts aus Großbritannien verabschieden.
Teile der Firma wechselten den Besitzer und wurden an eine Firma namens Blackpool Automotive veräußert. Den Markennamen sicherte sich Smolenski Junior und im Januar 2007 bekam die Firma, oder das was von ihr über ist, einen Konkursverwalter. Ein Kassensturz erbrachte nichts Erfreuliches und die Banken als Kreditgeber kamen überein einem eventuellen Erwerber Schulden in Höhe von 20 Millionen Pfund Sterling zu erlassen. Ende Februar wurde die Firma endgültig veräußert für rund 2 Millionen Pfund Sterling wie inoffizielle Quellen behaupten.
Die genaue Summe wurde nicht veröffentlicht. Das Erstauen war groß als bekannt wurde wer der neue (und zugleich alte) Herr war, der allseits bekannte Nikolai Smolenski hatte irgendwo die Kohle aufgetrieben und die Firma erneut gekauft. Auf diese Weise kann der alte und zugleich neue Eigentümer erneut schalten und walten wie er will. Die bankrotte Firma hat er nun fast schuldenfrei bekommen und kann sie auch verkaufen. In der Zwischenzeit will Smolenski Junior “strategische Investoren„ gefunden haben. Weitere Einzelheiten erspare ich mir mal an dieser Stelle. Bleibt nur die Abschlussfrage auf die russische Geschäftsleute immer wieder stoßen wenn sie Geschäfte mit dem Westen machen wollen. “Warum liebt man uns nicht?„ Nun, diese Frage werden wir uns alle mal in Ruhe durch den Kopf gehen lassen, vielleicht weiß ja der eine oder andere eine Antwort darauf.
Wo die Kosaken tanzen
Als ich noch ein kleiner Junge war gab es gemeinsame Fernsehabende mit den Nachbarn am Samstagabend. An solchen Abenden gab es Salzstangen und belegte Brote und gemeinsam schaute man die Sendung mit Hans-Joachim Kuhlenkampf, deren Namen mir gerade entfallen ist und unter dem “Goldenen Schuß„ mit Lou van Burg verstand man damals noch keine Überdosis an Heroin. Den Nachbarn bot man auch schon einmal etwas Exotisches neben den Käsehäppchen auf Plastikspieß an. Meine Oma hatte zu diesem Zweck ab und zu einmal eine Flasche “Kosakenkaffee„ zur Hand, einen braunen süßlichen Likör, den man in kleine Gläser goß, dann fügte man einen Löffel flüssige Schlagsahne hinzu und das ganze begann dann im Glas zu wallen und sah sehr interessant aus. Beworben wurde dieser Wunderlikör mit einem Fernsehspot in dem der Säbeltanz von Khachaturian gespielt wurde.
Damals hatte ich keinen Schimmer daß ich einmal in Rußland landen würde, Khachaturian war mir kein Begriff und daß er eigentlich Armenier und kein Russe ist, habe ich auch nicht gewußt. Aber die Säbel auf dem Flaschenetikett, die Musik ... alles schwer russisch ... jedenfalls wenn man von Rußland keine Ahnung hat.
Und wo tanzen sie nun heute, die Kosaken?
Einiges zur Klarstellung vorab. Erstens sind Kosaken KEINE ethnische Gruppe wie Tataren, Burjaten oder Ewenken um nur einige der nicht-russischen Völkerschaften der russischen Föderation zu nennen.
Kosakengesellschaften als das Sammelbecken ehemals den Gutsherren entflohene Bauern unter der Leitung ihres Ataman (in Rußland) oder Hetman (in der Ukraine) findet man in Rußland am Don, wir erinnern uns an Michael Scholochovs “Stillen Don„, ebenso wie in der Ukraine wo die Saporozher Kosaken in einem Bild mit dem Titel “Die Saporozher Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief„ verewigt worden sind. Das Bild das heute meines Wissens nach in der Moskauer Tretyakov-Galerie hängt, ist eines meiner Lieblingsbilder. Es zeigt eine schon leicht angeheiterte Kosakengruppe die an einem Tisch sitzt und einen Brief an den türkischen Sultan schreibt, der die Kosaken zur Kapitulation aufgefordert hatte. Was die Kosaken dem “sehr geehrten Herrn Sultan„ da antworten kann man auf dem Bild zwar nicht genau erkennen. Allerdings ist den Mienen der Abgebildeten ziemlich eindeutig zu entnehmen was sie von dem Kapitulationsvorschlag halten und welche Gegenvorschläge sie dem Sultan zu übermitteln gedenken. Ich hätte seinerzeit zeitweise gern einmal eine Reproduktion des Bildes in einem unserer Projektbüros mit der Unterschrift “Das Projekt XYZ schreibt einen Brief nach Brüssel„ aufgehängt, aber das ist eine andere Frage.
Wie dem auch sei, wo tanzen die Kosaken denn heute? Ehrlich gesagt eine spannende Frage der wir uns in einer der folgenden Blogs widmen werden. Wer allerdings Rußland heute immer noch auf Tundra, Taiga, Balalaika und tanzenden Kosaken reduziert, der muß sich nicht wundern wenn Russen das in gleichem Maße mit der Reduktion Deutschlands auf Mercedes, BMW, Bayern München und lederhosentragende und starkbiertrinkende Schuhplattler auf dem Oktoberfest beantworten.
Die heutigen “Kosaken„ von denen hier die Rede sein soll, tragen auch weder Säbel zur Schau noch reiten sie auf Pferden zu der sehnsüchtig und mit melancholischem Gesichtsausdruck auf sie wartenden Frau mit dem 1-Meter-Zopf heim an den Don.
Die heutigen Tänzer tragen überweite Jeans die ihnen fast in den Kniekehlen zu hängen scheinen, an den Füßen auch keine Reitstiefel sondern die Erzeugnisse von Adidas, Rebook oder Nike. Den Kopf ziert auch keine Kosakenpelzmütze sondern eine dieser Pudelmützen ohne Pudel. Und die wird sich dann so über die Ohren gezogen wie ich es früher mit meiner heißgehaßten Pudelmütze, die mir meine Oma gestrickt hatte, machen mußte, damit “der Junge sich nicht erkältet„. Und so ausgerüstet mußte ich dann zur Schule ... und sah dabei aus wie der Depp vom Lande.
Heute zieht man sich diese Mützen freiwillig an und sieht damit wie ein amerikanischer Docker, der gerade von einem seiner illegalen Hafenstreiks kommt. Meist ziert die Mütze auch noch eine Firmenaufschrift und so läuft der so “Behütete„ dann auch noch kostenlos Reklame für irgendeine Firma.
Die Zeiten ändern sich eben. Aber verdammt “cool„ sieht es eben aus und als Erkennungsmerkmal einer Gruppe taugt es heute genauso wie seinerzeit der bei uns beliebte amerikanische Parka mit Waschbärfell an der Kapuze, den man aber nur in Verbindung mit dunkelblauen Cordhosen, Nickipullover und weißen Turnschuhen tragen durfte, wenn man nicht dem Stilbruch und der allgemeinen Gruppenächtung anheim fallen wollte.
Heute trafen sich die “Kosaken„ im ehemaligen Pionierpalast von Tver zu einer “Battle„, soll heißen einem Breakdance Wettbewerb, zu dem auch Teilnehmer aus anderen Städten, u.a Moskau und St. Petersburg, angereist waren. Einer der Säle des Pionierpalastes war brechend voll mit den Kiddies und die Musik dröhnte so, daß man sie auf dem Fußweg vor dem Gebäude noch mühelos hören konnte. Unter dem Gejohle des Publikums traten die jweiligen “Kommandas„ gegeneinander an und gute artistische Darbietungen wurden mit dem entsprechenden Applaus gefeiert.
Hip-Hop, Break Dance und Punkertum sind zwar nur Nischen in der russischen Gesellschaft und in den Bereichen mit denen sich Jugendliche befassen, aber es sind die ersten beiden Bereiche die gepaart mit Extremalsportarten wie Kiting, Snowboarding und Skateboarding sich zunehmender Beliebtheit unter Jugendlichen erfreuen. Daß die Anhänger dieser Art des Zeitvertreibs darüber hinaus jegliche Art von Drogen, inklusive Rauchen und übermäßigem Alkoholkonsum, ablehnen, macht sie um so sympathischer in einer Umwelt, in der die Mehrheit es noch immer für außerordentlich “cool„ hält mit der Bierflasche in der Hand durch die Straßen zu gehen.
Dann also “Dawaitje Kosaki, tanzuiete„ Ihr seid der positive Teil der Zukunft dieses Landes.
Mülltrennung
Immer wenn ich nach Deutschland komme muß ich mein in einem 4-semestrigen Grundstudium in Abfallwirtschaft erworbenen Kenntnisse wieder auffrischen. Papier in die grüne Tonne, Plastik in die gelbe Tonne, Glas sortiert nach Farbe in die jeweiligen Container, Restmüll in die graue Tonne, oder war es die blaue? Da ist es doch schön wenn ich im Rahmen der Globalisierung selbst hier in Rußland von den Mülltrennungsregeln der EU profitieren kann. Den nachfolgenden Hinweis fand ich heute in einer Packung für Kopfhörer
Nur welche russische Behörde ist hier zuständig wenn ich den Umkarton eines 5-Eurokopfhörers, oder sollte es der Kopfhörer selber sein, zurückgeben will? Ich denke ich überlasse die Antwort erst einmal der Mülltonne.
Das schlechte Gewissen lege ich mir dann nach Überqueren der russisch-finnischen Grenze demnächst wieder pflichtgemäß zu.
Bis dann also
Eure Abfall-Sau Werner