Freitag, 11. August 2006
Leitern in Russland ... oder warum die russische Polizei noch an ihrem Kundendienst "feilen" muss
Sonntag abends, Fußballweltmeisterschaft, Endspiel Italien - Frankreich.

Obwohl Rußland nicht teilnimmt, sitzt doch das ganze Land schon seit einem Monat Abend für Abend vor dem Fernseher und bangt mit “seiner” Lieblingsmannschaft. Wer das ist? Meist ist es die Ukraine, die es in die Reihe der Mannschaften geschafft hat, die im Weltcup mitspielen dürfen und so berichtet das russische Fernsehen ausführlich über die Mannschaft und die Spieler von denen einige auch in russischen Vereinen ihr Geld verdienen. Auch die Deutsche Mannschaft zählt zu den Lieblingen der Fernsehnation und Reportagen mit Franz Beckenbauer werden am nächsten Tag eifrig rußlandweit diskutiert, auch im Nordwesten Rußlands, in Karelien.

Zuhause wird zur Zeit nur in den Übertragungs-Pausen geraucht und weil das Enkelkind zu Besuch ist gehen wir zum Rauchen auf den Balkon was auch seine Vorteile hat. Erstens bekommt man Bewegung, zweitens gibt es keinen Rauchgeruch in der Wohnung und drittens reduziert man so die Anzahl der nebenbei gerauchten Zigaretten erheblich, alles in allem ist es gut für die Gesundheit.

Dann Spielende, nach zweimaligem zusätzlichen Spielen jeweils 15 Minuten, ist auch noch keine Entscheidung gefallen. Das anschließende Elf-Meter-Schießen bringt dann den Sieg der Italiener, der in den folgenden Tagen noch weltweit diskutiert werden wird. Unser Erstaunen is groß denn als wir zur anschließenden Zigarette auf den Balkon treten, finden wir ... eine angelehnte Leiter die zu uns in den ersten Stock führt. Nun glaube ich nicht mehr an Märchen und Unsichtbare die die Leiter ggf. an den Balkon gelehnt haben könnten. Auch daß in Rußland nun eine neue Mode ausgebrochen ist Leitern des Nachts zu verschenken und sie an den Balkon des Beschenkten zu stellen, ist uns nicht geläufig. Geläufiger, weil schon einmal passiert, ist es uns hingegen, daß üble Zeitgenossen nicht nur des nachts sondern leider auch tagsüber Wohnungseinbrüche verüben. Und da während der Fußball WM zumindest zeitweilig eine deutsche Fahne den Balkon geziert hat könnte es sich vielleicht um den Versuch eines “unangemeldeten” Besuches bei den Ausländern handeln. Also schnell runter und die Leiter erst einmal konfisziert und im Hauseingang sichern.

Danach zurück in die Wohnung und die Polizei angerufen, die in Rußland Milizia heißt. Es entspannt sich ein Dialog etwa folgenden Inhaltes:

“Guten Abend, Miliz”

“Guten Abend, eben hat man versucht bei uns in der Wohnung in der Leningrader Straße 18 A, erster Stock, Wohnung drei, einzubrechen und dazu eine Leiter an unseren Balkon gestellt.”

“Welche Adresse?”

“Leningrader Straße 18 A”

“Gibt es solch eine Adresse?”

“Ja, hinter dem Haus Leningrader Straße 18 befindet sich das Gebäude und ich rufe Sie von dort aus an.”

“Wo ist das Haus?”

Ich erkläre der Frau genau wie ein Streifenwagen zu uns finden kann und daß hinter dem Haus Leningrader Straße 18, dem Haus mit dem Blumenladen, ein Weg direkt zum Haus Leningrader Straße 18 A führt. Sie verspricht, daß sie einen Streifenwagen schickt. Wir gehen wieder auf den nun leiterfreien Balkon und harren der Dinge die da kommen, oder auch nicht. Nach 10 Minuten erscheint ein eher TÜV verdächtiger russischer Jeep mit den Kennzeichen der Miliz oberhalb der Einfahrt die ich genannt habe und sucht sich seinen Weg zu unserem Haus, den er so nicht finden wird weil der Milizionär einfach falsch abgebogen ist. Dann verschwindet der mit einer Lampe beleuchtete Wagen zwischen den Garagen. Mir schwant nichts Gutes denn auf dem Weg wird er sich vollends verirren und in einer Sackgasse landen. Nach einigen Minuten hat der Wagen gedreht und sich auf den Weg unter unseren Balkon gemacht wo er wenig später eintrifft. Zwei junge Milizionäre steigen aus. ich erkläre den Sachverhalt und verhehle auch nicht daß die Leiter nun im Hauseingangsflur sichergestellt worden ist.

Darauf sagt einer der beiden “Herzlichen Glückwunsch.” Ich frage wozu er mir gratuliere. Darauf er, “Na, jetzt haben Sie eine kostenlose Leiter bekommen.” Auf die Frage was ich damit machen solle, schließlich sei es ein Beweisstück, geht er nicht ein. Ich könne ja am nächsten Tag - mit der Leiter - aufs Revier kommen und den Vorfall dort zu Protokoll geben, Die Sache gehe dann seinen behördlichen Gang. Ich kenne derlei Begegnungen und deren Resultate ... nämlich keine, bereits zur Genüge und beschließe den nächsten Tag sinnvoller zu verbringen als auf dunklen renovierungsbedürftigen russischen Behördenfluren zu sitzen, im Endeffekt einige Stunden Zeit zu investieren ohne Ergebnis. Mein Nachbar eine halbe Treppe tiefer nimmt die Leiter am nächsten Tag mit auf seine Datscha und am Ende sind alle zufrieden. Die Miliz muß keinen Aktenvorfall anlegen, ich spare einige Stunden Sinnlosigkeit und mein Nachbar hat eine neue Leiter für seine Datscha. Die Leiter, so versichert er mir, sei recht stabil und werde ihm sicher gute Dienste im nächsten Frühjahr leisten wenn es daran gehe die Dachrinne vom Herbstlaub zu befreien. Na dann also ... sind alle zufrieden und wir haben wieder eine neue Lektion im Kapitel “Der russische Staat als Dienstleister des Bürgers” gelernt. Und wenn jemand eine Leiter braucht ... einfach melden.

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Willkommen zu meinem Tagebuch
Nachdem mein monatlicher Rundbrief schon vor längerer Zeit eines langsamen Siechtodes gestorben ist und nachdem "Bloggen" wohl "die Zukunft" schlechthin ist, habe ich mich entschlossen, das Tagebuch als "Blog" fortzuführen.

und als der kalte Winter war, da blieb ein jeder gern zuhaus ...

Ich hoffe die Leserschar erhöht sich dadurch. Kommentare werde ich im gesamten Blog nicht zulassen, das Führen eines Internettagebuches ist schon so zeitaufwendig genug und jedesmal Internetmüll zu beseitigen, ehrlich gesagt, dazu habe ich keine Lust. Ihr versteht das denke ich. Nun aber frisch ans Werk, der erste Beitrag ist fast fertig, viel Spaß beim Lesen. Kommentare können, wie immer, an die allbekannte email Adresse geschickt werden.

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